Pratyahara: Wenn sich dein Geist in erholsame Stille zurückzieht.

Im Yoga gibt es den Begriff Pratyahara – der beschreibt das Zurückziehen der Sinne. Wörtlich heißt es „das Fasten”. So wie eine Fastenkur den Körper und Geist reinigt, so dient Pratyahara dazu die Sinne zu reinigen.

Unsere 5 Sinne – das Sehen, das Hören, das Fühlen, das Riehen und das Schmecken –sind wenn wir wach sind ständig online. Sie sind unsere Türen zur Aussenwelt. Durch sie nehmen wir die Welt wahr und schicken dabei ständig ungefilterte Informationen an unser Gehirn. Den ganzen Tag über sehen wir zu viele Bilder, hören zu viele Informationen usw. Und auf all das müssen wir irgendwie reagieren. Das führt nicht selten zu Überforderung und Stress. Denn es gibt kaum eine Pause. Der Instagram Feed produziert den ganzen Tag über neue Nachrichten und Bilder. Und unser Gehirn muss auf jedes einzelne Bild reagieren. Es einordnen und filtern. Und Instagram ist ja nicht die einzige Quelle: Nachrichten, Zeitungen, Radio, Fernsehen, Werbung, im Supermarkt. Überall prasseln die Reize auf uns ein. Es gibt kaum Ruhezeiten – außer im Schlaf. Es besteht die Gefahr der Reizüberflutung und es kann ein Datenstau im Gehirn entstehen, wenn wir uns diesem Datenstrom nicht mal ganz bewusst entziehen.

Pratyahara beschreibt genau diesen Zustand: wenn wir die Verbindung nach aussen trennen. Wenn wir die offenen Türen schließen und die Ruhe und Stille einladen. Wenn wir uns mal ausruhen und dadurch lernen, nicht mehr auf jeden Reiz von aussen reagieren zu müssen. Der Geist nimmt die Reize zwar immer noch wahr, aber er reagiert nicht mehr sofort. Er kann in der Stille verweilen. Eine gute Übung dafür ist die Meditation. Denn hier übst du auch, nicht auf jeden Reiz (Gedanken, Wahrnehmungen, Geräusche) zu reagieren. Du übst ruhig und still zu bleiben.

In dieser Stille, die dann entsteht, können wir erst wahrnehmen, was wir gerade benötigen, wie es uns geht oder wovor wir Angst haben. Dieser Rückzug erlaubt uns, wieder in Kontakt zu treten mit uns selbst. Die Yogis sagen: wahre Stille und Regeneration finden wir nur in uns selbst. Nur wenn wir die Türen schließen. Doch die Aussenwelt überstülpt unsere Wahrnehmung, so dass wir unsere innere Stimme nicht hören können.

Der Herbst – diese besondere Zeit des Übergangs – lädt uns ein, unsere Türen nach aussen öfter mal zu verschließen. So, wie es auch die Natur macht: sie zieht sich zurück. Der Herbst steht sinnbildlich dafür, alles loszulassen was wir nicht mehr brauchen. So, wie die Blätter von den Bäumen fallen. So, wie das pulsierende Leben des Sommers langsam aus den Pflanzen weicht und sie vertrocknen. Alles Leben zieht sich zurück und fällt in eine Art Schlaf. Nichts drängt mehr nach aussen. Es gibt keine große sichtbare Reaktion mehr.

Dieser Vergleich könnte für uns bedeuten, dass wir unsere Aktivitäten minimieren, das Tempo im Alltag rausnehmen und mehr Zeit mit uns selbst verbringen. Sich Zeit zu nehmen für eine Rückschau. Darauf, was wir in den letzten Monaten gelernt habe. Was wir davon integrieren oder loslassen möchten.

In der Yogapraxis haben wir jedesmal die Möglichkeit uns zurückzuziehen in unsere eigene Stille. Um dann bewusst wahrzunehmen, wie es uns gerade geht. Es tut so gut, die Augen zu schließen und zu üben zuzuhören. Auf das, was bei uns im Inneren geschieht. So dass wir mit der Zeit lernen, warum wir immer wieder auf etwas von aussen anspringen und so unsere Reaktion darauf ändern können. Savasana am Ende der Praxis steht auch für Rückzug. Der ganze Organismus zieht sich zurück und entspannt sich. Genau aus diesem Grund fühlen wir uns so erfrischt, klar und glücklich nach der Praxis. Weil wir unsere Sinne ganz bewusst zurückgezogen haben und gefastet haben.

In diesem Sinne wünsche ich euch einen erholsamen und stillen Herbst!